Der Panzer bricht. Die dicke Schutzschicht, die wir uns angelegt haben, um zu funktionieren, durchzuhalten und den Schmerz nicht an uns ranzulassen, bröckelt.
Wir sind und zeigen uns verletzlicher. Wir fühlen endlich. Wir sind berührbarer und weinen. Es sind all die unterdrückten Tränen, die wir in den letzten Jahrzehnten hätten weinen sollen und nicht geweint haben. Aus vielen guten Gründen. Wir weinen um den Schmerz der letzten Jahrzehnte, den wir nicht fühlen wollten oder konnten.
Wir weinen, weil wir keinen Trost gefunden haben, wenn wir traurig, hoffnungslos, allein und verzweifelt waren.
Wir weinen um das nicht gelebte Leben.
Wir weinen um das Unwiederbringliche. Alles, was vorbei ist.
Wir weinen um die Endlichkeit. Dass wir nicht wissen, wie lange wir noch haben.
Wir weinen um verpasste Chancen.
Wir weinen über die vielen Zweifel, Sorgen, das Gefühl von „nie genug oder falsch zu sein“ in dieser Welt. Was so viel Zeit geraubt hat, die nun verloren ist.
Wie weinen, weil uns unsere Verletzlichkeit und Zartheit bewusst wird.
Wenn der Panzer bricht, stellen wir fest, wie hart wir zu uns selbst waren und vielleicht immer noch sind. Das ist traurig. Wir haben das Gefühl, dass wir uns im Stich gelassen haben. Das berührt uns und rührt zu Tränen.
Um all das weinen wir, und es ist ein Zeichen von Heilung, wenn wir weinen und den Schmerz zulassen, statt ihn wegzudrücken.
Wir weinen und das macht uns menschlich und verbindet uns wieder mit uns selbst. Wir spüren wieder. Endlich können wir uns, unsere Bedürfnisse und unseren Schmerz wieder fühlen. Wir weinen um die nicht geweinten Tränen.
Uns sitzt der alte Schmerz noch in den Gliedern. Über die Tränen, die jetzt fließen, darf er endlich ausgedrückt werden und uns verlassen.
Und irgendwann, wenn wir uns die Nase geputzt, die Augen gewischt haben, ganz tief durchatmen, stellen wir überraschend fest: Etwas hat sich geändert. Wir fühlen uns entlastet, erleichtert. Die Spannung hat sich gelöst. Wir atmen auf. Wir fühlen uns wie von innen gereinigt.
Und jetzt haben wir Platz und Raum für die Freude. Laden wir sie ein.